Die Firma Wilh. Hanstein GmbH – Polstermöbelwerkstätten, welche seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in der Brauerstraße in Mendig (Vulkaneifel) sowohl Werkstatt als auch Verwaltungssitz hat, ist seit über 150 Jahren spezialisiert auf die Aufarbeitung von Polstermöbeln. Unser Unternehmen ist über mehrere Generationen familiengeführt und arbeitet noch traditionell nach der „alten Schule“.
Inhalt der Chronik bis 1956 geschrieben in herzlicher Verbundenheit von den Mitarbeitern Herrn Weinfurtners anlässlich seines 50-jährigen Arbeitsjubiläums im Jahre 1956.
1867
In Mettmann, einer Kreisstadt des Bergischen Landes, nahe Düsseldorf, erfolgte die Gründung der Firma Hanstein & Wurm, Großhandel in Sattler- und Polsterwaren durch Wilhelm Hanstein.
1870/1871
Bereits in den ersten Jahren des Bestehens rüttelte der Krieg an den Grundfesten des jungen Unternehmens. Der Teilhaber Herr Wurm wurde eingezogen und konnte erst nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges wieder in das Geschäft zurückkehren. Nach seinem Ableben wurde die Firma unter dem Namen des Mitbegründers und nunmehr alleinigen Inhabers Wilh. Hanstein fortgeführt.
Jahrezehnte ruhiger Entwicklung folgten, in denen das solide Fundament des Unternehmens geschaffen wurde. Es waren die Jahre der sogenannten "guten alten Zeit", in der im kaufmännischen Leben noch mit dem Viertelpfennig gerechnet wurde, die Zeit, in der man noch nicht mit 50 bis 100 PS durch die Lande brauste, um seine Geschäfte zu tätigen. Mit höchstens 1 PS, also mit Pferd und Wagen, mit der Eisenbahn und auf Schusters Rappen, das Köfferchen in der Hand, wanderte man über Land und durch die Städte, besuchte seine Geschäftsfreunde und bemühte sich, neue Kunden zu werben. Es war noch die Zeit, wo man in rechtschaffender Arbeit, Zielstrebigkeit und kaufmännischer Weisheit ein Unternehmen langsam und sicher, Steinchen auf Steinchen aufbaute, um ihm ein Fundament zu geben, das auch wirtschaftlichen Krisen standhalten konnte. Gegen Ende des Jahrhunderts traten 2 Söhne des Inhabers, Walter und Otto Hanstein in die Firma ein, ersterer im Innendienst, letzterer im Außendienst tätig, beide gleich zielstrebend wirkend für die weitere Entwicklung des Unternehmens, das inzwischen nach Düsseldorf verlegt worden war.
1906
Bemerkenswert für dieses Jahr ist der Eintritt unseres heutigen Jubilars, des Herrn Rudolf Weinfurtner in die Firma. Als Sohn des bergischen Landes mit einem Einschlag bayrischer Urwüchsigkeit väterlicherseits vereinigten sich in ihm die vorteilhaftesten Eigenschaften eines außergewöhnlichen Kaufmanns: Klardenkender Kopf, sicherer Instinkt für das Treffen jeglicher Dispositionen unermüdliche Arbeitskraft und hartnäckiges Streben. Mit diesen Anlagen ausgestattet und fachlich ausgebildet in der Wuppertaler Textilindustrie, war er befähigt, der Firma im Laufe der Jahre neue Wege der Entwicklung zu weisen. So wurde langsam die Umstellung vom reinen Handel zur Produktion eingeleitet, in dem zunächst in bescheidenem Umfange Matratzen und später Sitzmöbel damaliger Gestalt angefertigt wurden.
1914
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges hemmte naturgegeben die weitere Entfaltung. Sorgen und Nöte für den Bestand der Firma stellten sich ein. Die beiden Söhne des Inhabers wurden zum Kriegsdienst einberufen. Der Seniorchef selbst war inzwischen hochbetagt und nicht mehr in der Lage, das Unternehmen allein zu leiten. So wurde unserem Jubilar die schwere Aufgabe zuteil, die Firma allein durch die wechselvollen Geschicke dieser Kriegesjahre zu führen.
Diese Aufgabe wurde von ihm glänzend gelöst, und gleichsam als Anerkennung für diese Leistung wurde er zum Teilhaber der Firma ernannt.
1919
Ende des Krieges! Bekanntlich erholte sich die deutsche Wirtschaft dank der unbeschädigt gebliebenen Betriebsstätten sehr schnell, und so hatte auch die Firma Wilh. Hanstein einen hoffnungsvollen Start in den neuen Abschnitt ihres Firmendaseins. Die beiden Söhne des Seniorchefs waren heil aus dem Kriege zurückgekehrt, jeder stand wieder an seinem Platz, Herr Walter Hanstein den rein kaufmännischen Arbeiten zugewandt, Herr Otto Hanstein wieder im Außendienst. Es sollte sich jedoch sehr bald zeigen, daß die Bedingungen für eine ruhige Entwicklung der Wirtschaft noch nicht gegeben waren. Die als Nachkriegswirkung zunächst langsam beginnende, dann immer schneller fortschreitende Geldentwertung begann das Wirtschaftsgefüge aufs Neue zu erschüttern. In diesen Jahren ein Unternehmen gesund zu erhalten, war schon ein Kunststück besonderer Art, und die Firma verdankt es der klugen und vorsichtigen Geschäftsführung unseres Jubilars, daß das in der Vergangenheit Geschaffene durch die größten Wirren der Inflationsjahre erhalten werden konnte.
1920
Herr Wilhelm Hanstein geht nach über 50 Jahren Geschäftsführung in den wohlverdienten Ruhestand.
1923
Die nun folgende Währungs-Stabilisierung mit der Einführung der Rentenmark schien neue Hoffnungen für die Wirtschaft aufkeimen zu lassen. Jedoch der damals französisch besetzte Teil des Reiches sah sich schweren Wirren gegenüber. Der Ruhrkampf flammte auf, ausgelöst durch die Besetzung des Ruhrgebietes von den Franzosen. Die hermetische Abriegelung der Besatzungszone machte jeden Warenaustausch mit dem übrigen Deutschland unmöglich, und so wurde die Frage des Warennachschubs für viele Firmen zur Existenzfrage schlechthin. Doch auch diese düsteren Jahre feindlicher Willkür wurden glücklich überstanden.
1925
Endlich schien die Zeit gekommen, die lang gehegten Pläne einer Produktionsausweitung der Verwirklichung näher zu bringen. Ein geeignetes Fabrikgrundstück mit entsprechenden Arbeitshallen konnte Düsseldorf, Höherweg, gemietet werden, und so wurde mit rund 20 Arbeitskräften ein für die damaligen Verhältnisse recht umfangreiches Fabrikationsprogramm eröffnet. Der Großhandel in Polstermaterialien wurde zwangsläufig eingestellt und dafür ein solcher in einschlägigen Artikeln der Bettenbranche und des Wohnbedarfs, wie Bettwäsche, Steppdecken, Teppiche, Läuferstoffe und dergleichen begonnen. Ferner nahm die Anfertigung von Federbetten eine beachtliche Position in der Gesamtproduktion ein. Die günstige Aufwärtsentwicklung hielt an, und durch solide Werksarbeit erfreute sich der Name "Hanstein", symbolisiert durch das Fabrikzeichen "Hahnsiegel", in Abnehmerkreisen bald größter Wertschätzung.
1930
Eine intensive Innen- und Außenarbeit, inspiriert von Herrn Weinfurtner, ließen den Umsatz von Jahr zu Jahr ansteigen und die Belegschaftsstärke auf über 100 wachsen, für unsere Branche in jenen Jahren eine beachtliche Zahl. Inzwischen waren die bisherigen Betriebsräume auf dem Höherweg zu klein geworden, und so bezog die Firma ihre neue Wirkungsstätte in Düsseldorf, Erkrather-Straße. Doch schon zeichnete sich am politischen Horizont neues Unheil für die Wirtschaft ab. Die immer fühlbarer werdenden Auswirkungen des Versailler Friedensvertrages in Verbindung mit der Finanz- und Anleihepolitik jener Jahre, begannen die Wirtschaft zu zerrütten. Die flüssigen Geldmittel verringerten sich zusehends, und als Folge davon waren Arbeiter-Entlassungen, Betriebseinstellungen und Bankerotte an der Tagesordnung. Die Arbeitslosigkeit und damit das Elend des Einzelnen ebenso wie der gesamten Wirtschaft stiegen von Monat zu Monat.
1933
Die Zahl der Arbeitslosen hatte die 6 Millionen-Grenze überschritten. Die zurückliegenden Jahre schwerster, fast tödlicher Krise für die Wirtschaft erforderten für die Leitung eines Betriebes Persönlichkeiten, die - ausgestattet mit dem Rüstzeug kaufmännischer Vorsicht, Klugheit und Umsicht - es verstanden, ein Unternehmen vor dem Strudel des wirtschaftlichen Niederganges zu bewahren. Nachdem Anfang der dreißiger Jahre Herr Otto Hanstein aus der Firma ausgeschieden war, ruhte nunmehr die ganze Last der Verantwortung allein auf den Schultern von Herrn Weinfurtner und Herrn Walter Hanstein. Gerade in dieser schweren Zeit zeigte es sich einmal mehr, daß die beiden Herren in einer selten anzutreffenden Einmütigkeit die rechten Steuerleute für die Firma waren, denn es gelang ihnen, den Betrieb ohne größere Verluste heil durch die dunkelsten Jahre deutscher Wirtschaftsgeschichte zu führen. Die politischen Umwälzungen im gleichen Jahre brachten der Wirtschaft und damit auch der Firma Wilh. Hanstein neues Leben und neue Blüte, wenn ihnen auch - damals vom Einzelnen noch nicht erkennbar - ein tödlicher Kern innewohnte. Einige Jahre der Vollbeschäftigung auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens folgten, in denen die Belegschaft der Firma Wilh. Hanstein auf rund 150 Mann angewachsen war.
1939
Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde die so günstig erscheinende Entwicklungslinie jäh unterbrochen. Durch zahlreiche Einberufungen männlicher Belegschaftsmitglieder in ihrer Produktionskraft geschwächt, durch militärische Beschlagnahme des gesamten Transportraumes beraubt und durch wirtschaftliche Kriegsbestimmungen in der Planung gehemmt, begann auch bei der Firma Wilh. Hanstein der Kampf um den Bestand des Unternehmens aufs Neue.
1941
Die ersten Luftangriffe auf deutsche Städte, darunter auch Düsseldorf, hatten den Krieg unmittelbar vor die Türen der Arbeits- und Heimstätten getragen. Zu der wirtschaftlichen Sorge gesellte sich nun das Bangen um den materiellen Bestand, denn es war offensichtlich, daß gegen die Tag und Nacht einfliegenden Bomberverbände auch der klügste kaufmännische Geist nichts auszurichten vermochte.
1943
Der Bombenterror hatte von Monat zu Monat an Härte zugenommen, und ein Großteil Düsseldorfs lag bereits in Schutt und Asche. Der Betrieb Wilh. Hanstein war bis dahin noch intakt geblieben, jedoch am 11. Juni ereilte auch ihn das Schicksal. Bei einem verheerenden Luftangriff wurde er total zerstört, und das in mehr als 70 Jahren Geschaffene war mit einem Schlage ein Nichts. Doch Resignation und Verzagtheit gehörten nicht zu den Eigenschaften unseres Jubilars. Noch auf den rauchenden Trümmern des Werkes wurden die Plane für einen Wiederaufbau des Betriebes erarbeitet. Es stand außer Frage, daß hierfür nur ein Ort fern vom Bombenterror in Frage kommen konnte. Niedermendig in der Voreifel, nahe dem Laacher See, bot durch einige stillgelegte Brauerei-Betriebe die Möglichkeit, den Wiederaufbau zu versuchen. Mit nur drei langjährigen kaufmännischen Mitarbeitern denn allen anderen Arbeitskameraden von Düsseldorf mußte Lebewohl gesagt werden, begannen die Vorbereitungen, die Ende des Jahres abgeschlossen waren.
1944
Mit neuen angelernten Arbeitskräften lief eine bescheidene Produktion an, in der nach behördlich geleiteten Großaufträgen Matratzen angefertigt wurden. Der Kontakt mit der alten Kundschaft war zunächst verloren gegangen, aber die Firma Wilh. Hanstein arbeitete wieder. Hatte sie bereits durch den Totalschaden das schwerste materielle Opfer gebracht, so wurde ihr ein noch weit höheres persönlicher Art abgefordert. Nach dem unerforschlichen Ratschluß eines unbarhmherzigen Schicksals verlor Herr Walter Hanstein im Heldenkampf des deutschen Soldaten an allen Fronten dieses Völkerringens seine drei Söhne. Der älteste von ihnen, Günter Hanstein, war als Nachfolger seines Vaters vorgesehen und nach einer gründlichen Ausbildung schon vor seiner Einberufung zum Wehrdienst mit bestem Erfolg in der Firma tätig. Nach dem Verlust des Düsseldorfer Werkes und durch den Tod seiner Söhne des Lebensinhaltes beraubt, zog sich Herr Walter Hanstein aus dem aktiven Geschäftsleben zurück, so daß nunmehr die alleinige Führung der Firma in den Händen unseres Jubilars verblieb.
1945
Das Kriegsende begann sich abzuzeichnen, und damit näherte sich neues Unheil dem Unternehmen.
Die Front rückte an Niedermendig heran, und obschon der Ort von Kampfhandlungen verschont blieb, beschlagnahmten die durchflutenden feindlichen Truppen die Betriebsräume sofort als Unterkünfte. Als nach ca. 6 Wochen die Räume wieder freigegeben wurden, nachdem sie in dieser Zeit von schwarzer und weißer Soldateska belegt gewesen waren, hatte das eben neu Geschaffene nur noch Erinnerungswert. Was an Ware nicht mitgeschleppt werden konnte, war sinnloser Zerstörungswut zum Opfer gefallen. Wieder mußte neu angefangen werden, wenn auch die einsetzenden Nachkriegswirren ein planmäßiges Entfalten noch nicht zuließen. Die weitestgehende Zerstörung der Heimstätten und die Entbehrungen der verflossenen Kriegsjahre ließen breiten Bevölkerungskreisen neben dem vielfältigen Bedürfnissen des täglichen Lebens und den ersten dringenden Neuanschaffungen auch den Erwerb von Polstermöbeln wünschenswert erscheinen. Mit der Einstellung eines befähigten Meisters, der sich der Schulung von Fachkräften und Ausbildung von Lehrlingen in besonderem Maße widmete, wurden die Voraussetzungen geschaffen, die schon kurz nach Kriegsende die Anfertigung von Polstermöbeln ermöglichten. Der Kontakt mit der alten Kundschaft, denen das "Hahnsiegel" noch in guter Erinnerung war, wurde wieder aufgenommen, und langsam blühte neues Leben aus den Ruinen.
1948
Hatte alles bis zur Währungsreform auf ziemlich tönernen Füßen gestanden, denn die so dringend benötigten Rohstoffe und Materialien waren nur auf meist absonderlichen Umwegen zu erjagen, so konnte nun wieder eine sinnvolle, zielbewußte Arbeit und Planung Platz greifen.
1950
Mit der übernahme der früheren Schaaf-Brauerei erwarb die Firma eigenen Gund und Boden und legte damit den Grundstein für ein in der neuen Wahlheimat Niedermendig ansässig werdendes Unternehmen. Die ersten Nachkriegsjahre blieben für Herrn Weinfurtner persönlich jedoch überschattet von dem ungewissen Schicksal seines einzigen Sohnes Rolf, der seit Januar 1945 in Ostpreußen vermißt war. Erst 1953 wurde es zur traurigen Gewißheit, daß auch er ein Opfer des sinnlosen Krieges geworden war.
Trotz dieses schweren Schicksalsschlages ging unser Jubilar mit dem Mute der Verantwortung und ungebeugtem Willen daran, sein Lebenswerk wieder aufzurichten, um einer neuen Generation zur weiteren Entwicklung den Boden fruchtbar zu bestellen.
1956
Durch systematische Neu- und Erweiterungsbauten wurde im Verlaufe von 5 Jahren ein Betrieb geschaffen, der heute wieder rund 140 Belegschaftsmitgliedern Arbeit und Brot vermittelt und ihnen durch soziale Betriebseinrichtungen Vorteile verschiedenster Art gewährt.
Gemeinsame Arbeit ist das Band, das Männer am schnellsten und sichersten aneinander knüpft, besonders wenn diese Arbeit über den Rahmen des Materiellen hinaus auch eine ethische Zielsetzung berührt. So gehörte es zu dem steten Bemühen des Jubilars, den Fachhandwerker von jeglicher automatischen, abstumpfenden und eintönigen Fabrikarbeit fernzuhalten, um ihm das Gefühl für die Schönheit des selbstgeschaffenen Arbeitsstückes und die Freude an der Arbeit zu vermitteln.
In einer Zeit, deren Kultur mit sich selbst arg im Zwiespalt liegt, wo idealistische Weltanschauung und krasser Materialismus die äußersten Enden eines Fadens sind, an dem die mannigfachsten Auffassungen und Bestrebungen als Zwischenglieder hängen, hat er den Fragen der Menschenführung im Betriebe sein besonderes Augenmerk zugewendet. Für eines jeden Sorgen und Nöte hat er stets ein offenes Ohr und versagt keinem Rat und Hilfe.
Es ist daher der aufrichtige Wunsch der Schreiber dieser Zeilen, daß Herrn Weinfurtner, dem ein freundliches Geschick seine Spannkraft und Arbeitsfreude selbst in einem Alter bewahrt hat, das den Wunsch nach Ruhe und Entspannung begreiflich erscheinen ließe, noch viele Jahre ungebrochener Schaffenskraft beschieden sein mögen.